Zusammenarbeit mit der Community auf Augenhöhe! – ein Rückblick auf die online Podiumsdiskussion zu FGM-C
FGM-C steht auch seit 2013 in Deutschland unter Strafe (§226a StGB). Trotz des Verbots und hoher Haftstrafen wird FGM-C weiterhin praktiziert – auch einige Menschen, die bereits hier leben, bringen ihre Töchter in ihren Herkunftsländern, wo die FGM-C ohne Strafe praktiziert wird. Laut dem 2022 Bericht des Kontrollausschusses des Europarats GREVIO[1] und dem Alternativbericht 2021[2] werden nur vier Fälle in der deutschen Verfolgungsstatistik erwähnt, zwei davon wurde eingestellt und Geldstrafen in zwei ausgesprochen. Zu einer Verteilung unter Anwendung des Gesetzes kam also sehr selten, obwohl vermutet wird, dass die Zahl der Betroffenen in Deutschland aufgrund der gestiegenen Migration in letzten Jahren zugenommen hat.[3] Deshalb ist es wichtig und es besteht ein immenser Bedarf, sich mit FGM-C in Deutschland auseinandersetzen.
Zu diesem Zweck haben wir uns am 01.03. mit zwei Expert*innen aus der Praxis zusammengesetzt und über den aktuellen Stand der Bekämpfung von FGM-C in Deutschland im geschützten Raum („safe space“) kritisch über folgenden Fragen diskutiert:
- Wie können wir als politische und zivilgesellschaftliche Akteure gemeinsam gegen FGM-C kämpfen, ohne in rassistische Muster zu verfallen?
- Welche Rolle spielt die Community und wie kann die Netzwerkarbeit aufgebaut werden?
- Welche weiteren Möglichkeiten eröffnen sich durch die Arbeit in und mit der Community zum Schutz von Mädchen und der Unterstützung von betroffenen Frauen?
Mit dieser Veranstaltung haben wir angestrebt, FGM-C wieder ins Bewusstsein rücken; die Bedeutung des gemeinschaftsbasierten Ansatzes im Kampf gegen FGM-C hervorzuheben und antirassistische und antisexistische Wege der Solidarität mit FGM-C Frauenorganisationen schaffen.
„Zusammenarbeit mit der Community auf Augenhöhe“
Block I mit Charlotte Njikoufon, Kone e.V.
Der Input von Frau Njikoufon konzentrierte sich auf die Aufklärungsarbeit und die Kampagnen gegen FGM-C mit der Community und in der Community. Sie erklärte, dass die Arbeit ohne die Community keine Wirkung hat, und warum die Frauen ihre Community brauchen und/oder stark verbunden mit ihrer Community sind. Viele Frauen in Unterkünften erleben viele Schwierigkeiten, und mit traumatisierenden Erfahrungen. Bedauerlicherweise sind ihre Traumata beim Ankommen meistens nicht berücksichtigt, und sie erleben weitere Schwierigkeiten in Deutschland, z.B. die Frauen bekommen die wichtigen Informationen z.B. über ihre Rechte in Deutschland auch nicht rechtzeitig und angemessen. Diese Frauen brauchen geschützte Räume, und eine stabile Situation, damit sie ihren Traumata überwinden können. Sonst besteht die Gefahr der Re-Viktimisierungen und weitere Traumata. In solchen Umständen spielt ihre Community eine entscheidende Rolle, denn die Community ermöglicht ein informelles Unterstützungssystem für die Frauen. Das zeigt die Wichtigkeit der Community, und warum wir mit der Community zusammenarbeiten müssen.
In der Diskussionsrunde wurden verschiedene Themen angesprochen, wie z.B. die Bedeutung der Community-basierten Beratung, wie man Frauen erreicht und ihnen ermöglicht, über ihre traumatischen Erfahrungen zu sprechen, ohne die Frauen zu stigmatisieren. Ein weiterer wichtiger Punkt in der Diskussionsrunde waren auch die fehlenden finanziellen Ressourcen der gemeindebasierten NROs und dass sie mehr finanzielle Unterstützung benötigen. Ein weiteres Problem ist die Instrumentalisierung durch die großen Organisationen. Diese Organisationen arbeiten nicht mit der Community zusammen, sondern sie sprechen für die Gemeinschaft, ohne die Erkenntnisse der Frauen berücksichtigen: „Sie müssen aufhören ohne Community über die Community zu sprechen, und sie müssen mit der Community zusammenarbeiten“. Eine Teilnehmerin sagte: „Wenn diese Organisationen sich mit dem Thema befassen wollen, sollten sie ihre koloniale Brille abnehmen oder sich gar nicht erst beteiligen.“
„Die Frauen sind nicht wahrgenommen“
Block II mit Jawahir Cumar, Stop Mutilation e.V.
Laut Frau Cumar’s Input sei es sehr wichtig, Frauen bei ihren medizinischen Untersuchungen zu begleiten. Sie stellte fest, dass viele Frauen nicht wissen, dass sie beschnitten sind, und gleichzeitig sind auch die Ärzte in Deutschland nicht über FGM-C informiert , z.B. wird das Thema in der Ausbildung nicht behandelt und steht nicht auf dem Lehrplan. Sie gab an, dass sich manche Frauen bei einer ärztlichen Untersuchung nicht wohl fühlen, weil die Ärzte schockiert sind, wenn sie sich solchen Fällen begegnen. Ein anderes wichtiges Problem stellt das Verhalten des Arztes in der Praxis dar: „Die Ärzte entscheiden, was sie denken, was wäre für die Frauen besser, und ohne Achten was wäre für eine Frau besser ist.“ Laut der Meinung von Frau Cumar, es gibt eine einfache Lösung dafür: Fragen an die Frauen, was sie brauchen! Frau Cumar erzählte über eine Frau, die ohne ihr Einverständnis operiert wurde, und weil der Arzt nicht über FGM-C informiert war, ging diese Operation schief. Frau Cumar definiert es auch als „top-down“ Herangehensweise.
In der Diskussionsrunde wurde über ähnliche Fälle gesprochen, die als Menschenrechtsverletzungen angesehen werden können. Außerdem wurde betont, dass die Beratungsstellen in Deutschland verbessert und in der Community verankert werden müssen. Ein weiterer wichtiger Diskussionspunkt waren die Bedürfnisse der Frauen und dass sie ernst genommen werden müssen: z.B. eine Frau erklärte, dass „die Frauen werden nicht wahrgenommen“.
Zusammenfassend stellten wir fest, dass es einen Bedarf an Aufklärung gibt: Viele betroffene Frauen wissen nicht, dass es eine Welt ohne Beschneidung gibt, und die FGM-C ist bedauerlicherweise ihre Normalität geworden. Der Bedarf an Aufklärung gilt auch für die Mehrheitsgesellschaft, weil viele in Deutschland nicht gut über FGM-C informiert ist. Zu diesem Zweck können die Community Organisationen eine enorme Arbeit leisten und sie sollten als wichtige Akteure auf die Augenhöhe genommen werden, und mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet werden.
[1] https://www.bmfsfj.de/resource/blob/202386/3699c9bad150e4c4ff78ef54665a85c2/grevio-evaluierungsbericht-istanbul-konvention-2022-data.pdf
[2] Alternativbericht Bündnis Istanbul-Konvention 2021 – Bündnis Istanbul-Konvention (buendnis-istanbul-konvention.de)
[3] ebenda
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