Drei Jahre Hanau – Kein Vergeben, kein Vergessen und keine Aufklärung in Sicht. Aber Hanau ist überall.
Berlin, 17.02.2023. Drei Jahre sind seit dem rassistischen und rechtsradikalen Anschlag in Hanau vergangen. Das sind drei Jahre ohne Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov. Wir gedenken den Betroffenen und Angehörigen und fordern lückenlose Aufklärung.
„Ich will heute nicht darüber sprechen, was vor drei Jahren passiert ist. Das wissen wir alle. Aber auch drei Jahre später sehen wir jeden Tag, dass Rassismus tiefer in Gesellschaft und Institutionen verankert ist, als wir das auf den ersten Blick sehen. Ich appelliere an die Gesellschaft: was wir brauchen, sind keine leeren Wörter oder Floskeln, sondern Mitgefühl und Mitarbeit. Lasst uns nicht allein und arbeitet entschieden mit uns, sodass in der Zukunft keine rassistischen Vorfälle mehr passieren. Arbeitet entschieden mit uns, damit unsere Kinder und Enkelkinder in Deutschland, ihrer Heimat, ohne Spaltungen und ohne Angst aufwachsen können. Und damit unsere Kinder nicht umsonst gestorben sind“, sagt Serpil Temiz Unvar, Gründerin der Bildungsinitative Ferhat Unvar und Mutter von Ferhat Unvar, welcher am 19. Februar 2020 sein Leben aufgrund von Rassismus und Rechtsextremismus verloren hat.
Am 19.02.2023 jährt sich der rassistische und rechtsradikale Anschlag in Hanau zum dritten Jahr. In erster Linie gedenken wir heute den Betroffenen, verbeugen uns vor der unaufhörlichen Aufklärungs- und Bildungsarbeit ihrer Angehörigen und erinnern uns an die Unvergesslichkeit dieser grauenvollen Tat. Hanau hat sich für immer verändert. Und Hanau wird uns für immer verändert haben.
Doch wir erinnern uns auch daran, dass der Attentäter aufgrund einer Mischung aus tödlichen Ideologien, Rechtsextremismus, Rassismus und Frauenhass neun Menschenleben in Hanau ausgelöscht hat. Keine drei Jahre später erleben wir voller Bitterkeit, dass unsere Leben und unsere Erfahrungen noch immer nicht zählen – wie die rassistische Meinungsmache nach den so-genannten „Silvester-Krawallen“ deutlich gezeigt hat. Hanau und die fehlende Sichtbarkeit und Sensibilität gegenüber der drastischen Gefahr menschenfeindlicher Ideologien, das bleibt ein Zeugnis dafür, dass Rassismus in unserer Gesellschaft geduldet und gebrütet wird. Ihre Hetze ist es, die rassifizierte Menschen kriminalisiert, als „kleine Paschas“ bezeichnet und das System, das Rassismus eben ist, am Leben erhält – und das Leben von rassifizierten Menschen raubt.
Und auch nach drei Jahren sind wir als antirassistische Zivilgesellschaft wieder dazu gezwungen, mit dem Finger auf die gleichen Problematiken zu zeigen. Denn auch drei Jahre nach Hanau hat sich noch nichts geändert. Noch immer gibt es Kräfte in der Polizei, die Bedrohungslagen verharmlosen, und rechtsextreme Gesinnungen unter ihnen stellen anscheinend kein Problem dar. Die einst geforderte Studie über Rassismus innerhalb der Polizei wurde noch immer nicht umgesetzt, auch nicht unter einem SPD-geleiteten Innenministerium. Sogar der zuletzt veröffentlichte erste Lagebericht „Rassismus in Deutschland: Ausgangslage, Handlungsfelder, Maßnahmen“ der Integrations- und Antirassismusbeauftragten der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan, zitiert in der Einleitung, dass „diese Anschläge (Anmerkung: gemeint sind Halle 2019, Hanau 2020 und der Mord an Walter Lübcke 2019) und auch Berichte über Verdachtsfälle von rechtsextremen und rassistischen Netzwerken bei den Polizeien oder der Bundeswehr erschüttern das Vertrauen in den Staat und haben massive Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl der von Rassismus betroffenen Bevölkerungsgruppen.[1]„
Institutioneller und struktureller Rassismus in (Strafvollzugs-)behörden ist Alltag. Nur vier Monate nach dem Anschlag in Hanau musste das Sondereinsatzkommando (SEK) der Polizei aufgelöst werden, das in der Tatnacht im Einsatz war – weil Beamt*innen in rechten, rassistischen und sexistischen Chatgruppen aktiv waren.[2] Und bislang? Wurde noch niemand entlassen. Lasst es uns so klar sagen, wie es ist: der Umgang und die fehlende Aufklärung rund um den Anschlag von Hanau sind ein Armutszeugnis. Es sieht nicht so aus, als würde der Staat sich hier um klare Aufklärung bemühen oder dass der Schutz aller Bürger*innen gleichermaßen wichtig ist. Stattdessen kommen jeden 19.Februar verbale Solidaritätsbekundungen, und dann ist das Thema fürs Jahr wieder geparkt.
Denn bis heute müssen die Angehörigen, Hinterbliebenen und ihre Unterstützer*innen sich die Informationen über die Tat, die ihnen ihre Liebsten geraubt hat, selbst erarbeiten. Dank ihrer unermüdlichen Arbeit wissen wir, dass die Polizei den Notausgang der Arena Bar verriegelt hatte, um Razzien auf der Basis von racial-profiling zu ermöglichen. Dank ihrer Arbeit wissen wir, dass die Familien der Betroffenen nach Ankunft am Tatort von der Polizei als Bedrohung wahrgenommen und mit Waffen bedroht wurden. Oder dass der Notruf in der Tatnacht einfach nicht funktionierte. Und wegen ihrer Arbeit wissen wir auch, dass der Vater des Täters seit drei Monaten trotz gerichtlich erwirktem Näherungsverbot Serpil Temiz Unvar immer wieder auflauert, die migrantische Community in Hanau Kesselstadt terrorisiert und dass die Sicherheitsbehörden nichts machen.
Der Schmerz bleibt aber die Erinnerung muss auch als politischer Akt am Leben erhalten werden. Wir stehen solidarisch mit den Eigeninitiativen und Forderungen der Betroffenen, fordern politische Konsequenzen auf allen Ebenen. Sicherheitsbehörden und Länder müssen rechtextreme, rassistische und sexistische Terrorakte lückenlos und konsequent aufklären. Es ist schon lange an der Zeit, dass eine Regierung, die eine Antirassismusbeauftragte ernennt, sich schnell fragt, ob sie ihrem Auftrag gerecht wird. Unsere Haltung dazu ist klar:
Kein Vergeben! Kein Vergessen! Hanau ist überall!
Die Initiative 19. Februar Hanau hat eine umfängliche Liste an Demonstrationen und Kundgebungen aufgestellt.
Seid laut, geht auf die Straßen & solidarisiert euch!
Freitag, 17.02.2023
Wiesbaden I Luisenplatz I 18:00 Uhr I Mahnwache
Witten I Werkstadt Witten (Mannesmannstraße 6) I 18:00 Uhr I Soliveranstaltung
Samstag, 18.02.2023
Braunschweig I Schlossplatz I 16:00 Uhr I Kundgebung
Braunschweig I Kohlmarkt I 16:00 Uhr I Mahnwache
Bochum I 14:00 Uhr I Hauptbahnhof
Düsseldorf I 14:00 Uhr I Oberbilker Markt
Dortmund I 16:00 Uhr I Katharinentreppe
Duisburg I am Forum I 14:00 Uhr I Kundgebung
Düsseldorf I 14:00 Uhr I Oberbilker Markt I Demonstration
Erlangen | Bahnhofsvorplatz | 17:30 | Zugtreffpunkt zur Demonstration in Nürnberg
Frankfurt I 17:30 Uhr | Rathenauplatz I Demonstration
Freiburg im Breisgau I 10:00 Uhr I Weingarten-Fritz-Schieler-Platz
Hamburg I Barmbek I 17:30 Uhr
Ludwigshafen/Rhein I 16:00 Uhr I Berliner Platz I Kundgebung
Münster I 13:00 Uhr I Windhorststraße I Demo
Nürnberg I Rosenaupark I 18:00 Uhr I Demonstration
Offenbach I 16:00 Uhr I Rathaus
Saarbrücken I Europa Galerie I 18:00 Uhr I Demonstration
Siegen I Kornmarkt, 57072 Siegen I 18:30 Uhr I Mahnwache und gemeinsame Fahrt nach Hanau
Spandau (Altstadt) I 13:00 Uhr I Marktplatz I Gedenken
Sonntag, 19.02.2023
Aachen I Josefskirche (Ostviertel) I 18:00 Uhr
Ahrensburg I Rathausvorplatz I 16:30 Uhr I Kundgebung
Augsburg I Königsplatz I 15:00 Uhr I Demonstration
Bamberg I 15:00 Uhr I Maxplatz I Demonstration
Bensheim I Auftakt Nibelungenstraße/Ende Marktplatz I 16.00 – 18.00 Uhr I Kundgebung
Berlin I Herrmannsplatz I 14:00 Uhr I Gedenken und Demonstration
Berlin I Herrmannsplatz I 15:00 Uhr I Demonstration
Berlin I Oranienplatz I 14:00 Uhr I Kundgebung
Berlin I Marheinekeplatz I 13:00 Uhr I Mahnwache
Bielefeld I Hauptbahnhof I 15:00 Uhr I Demonstration
Braunschweig I Cuante Shisha-Bar I 16:00 Uhr
Bremen I Stadtbibliothek Gröpelingen I 14:00 Uhr I Demonstration
Bonn I Frankenbadplatz I 15.00 Uhr I Demonstration
Chemnitz I 14:00 Uhr I Schlossteichinsel I Kundgebung
Darmstadt I Hauptbahnhof I 13:30 Uhr I Kundgebung (Anschluss Fahrt nach Hanau/IL Darmstadt)
Darmstadt I Darmstädter Karolinenplatz I 19:00 Uhr I Kundgebung und Mahnwache
Duisburg I König – Heinrich – Platz I 14:00 Uhr I Gedenken
Erfurt I Angerdreieck I 13.30 Uhr I Gedenkkundgebung
Frankfurt | Friedensbrücke | 13 Uhr I Kundgebung und gemeinsame Anreise nach Hanau
Frankfurt I Braubachstraße 31 I 19:00 Uhr I Lesung in Gedenken an Hanau
Freiburg I Platz der alten Synagoge I 12:00 Uhr I Kundgebung
Friedberg I 11:00 Uhr I Elvis-Presley-Platz I Friedberg I Mahnwache
Fulda | Bahnhofsvorplatz | 10:00 Uhr | Demonstration
Gera I Stadtmuseum Gera I 11:00 Uhr I Gedenkkundgebung
Göttingen I Stadtplatz Grone (St Heinrich Straße) I 14:00 Uhr I Demonstration
Graz I Hauptplatz I 18:00 Uhr I Kundgebung
Hannover I 14:00 Uhr I Halim-Dener-Platz I Demonstration
Hannover I 14:00 Uhr I Steintor I Mahnwache
Hannover I Cumberlandsche Bühne, Staatstheater Hannover I 17:00 Uhr I stille Mahnwache
Heidelberg I 16:00 Uhr I Stadtbücherei
Hamburg I Wilhelmsburger Platz I 13:00 Uhr I Demonstration
Heilbronn I Kiliansplatz I 14:00 Uhr I Kundgebung
Ingolstadt I am Paradeplatz I 17:00 Uhr I Mahnwache
Kassel I 14:00 Uhr I Rathaus I Gedenken
Kiel I Asmuss-Bremer-Platz I 15:00 Uhr I Gedenkveranstaltung
Koblenz I Zentralplatz I 17:00 Uhr I Gedenkveranstaltung
Köln I 14:00 Uhr I Kalk-Post I Demonstration
Landau I Aktionstag
Leipzig I 16:00 I Stadtteilpark Rabet
Ludwigshafen/Rhein I 16:00 Uhr I Berliner Platz I Kundgebung
Lüneburg I Marktplatz I 15:00 Uhr I Mahnwache
Mainz Hbf I Zugtreffpunkt 14:00 Uhr zur Demonstration nach Hanau
Magdeburg I Hasselbachplatz I 17:00 Uhr I Gedenken
Mannheim I 15:00 Uhr I Mahnwache
Mannheim I Amnesty Kongress I 11:30 bis 12:00 Uhr I Mahnwache
Marburg I 11:30 Uhr I Friedrichsplatz
München I Königsplatz I 14:00 Uhr I Kundgebung
Nürnberg I 14:00 Uhr I Lorenzkirche I Kundgebung
Oldenburg I Bahnhof I 14:00 Uhr I Demonstration
Osnabrück I Nikolaiort I 14:00 Uhr I Kundgebung
Passau I Ludwigsplatz I 17:00 Uhr I Gedenkkundgebung
Potsdam I Brandenburger Tor I 16:00 Uhr I Gedenkveranstaltung
Regensburg I Neupfarrplatz I 15:00 Uhr I Kundgebung
Rostock I Doberaner Platz I 15:00 Uhr I Gedenkkundgebung
Saarbrücken I Europa Galerie I 15:00 Uhr I Mahnwache
Siegen I Oberstadtbrücke I 16:00 I Stilles Gedenken
Siegen I Kornmarkt, 57072 Siegen I 18:30 Uhr I Mahnwache und gemeinsame Fahrt nach Hanau
Solingen I 08:00 Uhr I Hauptbahnhof I Gemeinsame Anreise nach Hanau
Steglitz I 11.30 Uhr I Harry-Bresslau Park I Kundgebung
Stuttgart I Altes Schloss I 18:00 – 22:00 Uhr I Gedenken bei Lichtprojektion
Stuttgart I Württembergischer Kunstverein I 15:30 Uhr I Ausstellungseröffnung & Gedenkveranstaltung
Stuttgart I Karlsplatz I 15:00 Uhr I Gedenkdemonstration
Trier I Porta Nigra I 15:00 Uhr I Kundgebung und Gedenken
Tübingen I 15:00 Uhr I Marktplatz I Kundgebung und Demonstration
Villingen-Schwenningen I Linkes Zentrum Schwenningen I 17:30 Uhr I Gedenken
Wien I Yppenplatz I 14:00 Uhr I Gedenken und Platzeinnahme
Wiesbaden I Treffpunkt Gleis 4a (gemeinsame Fahrt zur Demo nach Hanau) I 14:00 Uhr
Weimar I Goetheplatz I 17:00 Uhr I Kundgebung
Wuppertal-Elberfeld | Otto-Böhne-Platz | 15:00 Uhr | Demonstration und Kundgebung
Wächtersbach I 11:00 Uhr I Rathaus Wächtersbach (Schloß) I Mahnwache
Würzburg I Hauptbahnhof I 17:00 Uhr I Demonstration
DaMigra e.V. ist die Interessenvertretung von Migrantinnenselbstorganisationen und ihren Belangen und setzt sich für Chancengerechtigkeit, gleichberechtigte Teilhabe und für die Gleichstellung von Frauen mit Migrationsgeschichte und Fluchterfahrung in Deutschland ein. DaMigra verfolgt den Ansatz des Antirassistischen Feminismus.
[1] Reem Alabali-Radovan legt Lagebericht Rassismus vor | Bundesregierung
[2] Verdächtige SEK-Beamte in Hanau: Zynisches Desinteresse – taz.de
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