Home > Meldungen > Erinnern heißt Verändern: Zum 4. Jahrestag des rechtsterroristischen Anschlags auf die Synagoge in Halle (Saale).

Erinnern heißt Verändern: Zum 4. Jahrestag des rechtsterroristischen Anschlags auf die Synagoge in Halle (Saale).

9. Oktober 2023. Heute jährt sich der antisemitische, rassistische, frauenfeindliche und rechtsterroristische Anschlag auf die Synagoge in Halle. Gestern wählten 18,4% in Hessen und 14,6% in Bayern eine rechtspopulistische Partei. Hubert Aiwanger, der Vorsitzende der Freien Wähler im Bund und in Bayern gewann trotz dem Skandal um seine antisemitische Vergangenheit (und Gegenwart) ein Direktmandat. Antisemitismus in Deutschland sitzt tief und menschenfeindliche Politik wird immer salonfähiger.

Wir sind im Herzen bei den Betroffenen und der jüdischen Gemeinde in Halle und applaudieren den Menschen, die sich für eine kritische Aufarbeitung des Geschehenen auf allen Ebenen einsetzen und stehen solidarisch an ihrer Seite.

2019 versuchte ein Rechtsterrorist am wichtigsten jüdischen Feiertag, Jom Kippur, die Synagoge in Halle zu betreten und die dort versammelten Menschen zu töten. Nach erfolglosen Versuchen erschoss der Täter die Passantin Jana Lange vor der Synagoge und Kevin Schwarze im „Kiez-Döner“ und versuchte auf der Flucht weitere Menschen zu ermorden. Während der gesamten Zeit übertrug er die Tat via Livestream ins Internet.

Seitdem reißen in Halle rassistische Vorfälle nicht ab: Vier Monate nach dem Attentat wurden Schüsse auf den angegriffenen „Kiez-Imbiss“ und im Januar 2020 auf das Wahlkreisbüro des Schwarzen SPD-Bundestagsabgeordneten Karamba Diaby abgegeben. Am Abend vor dem ersten Jahrestag wurde ein Gedenk-Graffiti für die Betroffenen des Anschlages mit Hakenkreuzen beschmiert. 2022 feuerte ein Mann Schüsse auf das Islamische Kulturzentrum in Halle ab. Zum Glück wurde niemand verletzt. Bei diesen Vorfällen handelt es sich allerdings nur um bekannt gewordene Angriffe.

Diese alltäglichen Vorfälle zeigen uns deutlich, dass sich in Halle de facto nichts geändert hat. Von Rassismus betroffene Bürger*innen müssen weiterhin fürchten, dass Anschläge jederzeit möglich sind. Zudem zeigen uns die Wahlergebnisse der Landtagswahlen in Hessen und Bayern, dass Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit kein „rotes Tuch“ (mehr) sind. In Bayern wird wahrscheinlich ein Antisemit weiterhin in der Regierung sitzen, in Hessen stellt eine rechtspopulistische und in Teilen rechtsextreme Partei die größte Opposition im Bundestag. Die AfD schreibt in beiden Ländern Hochzahlen. Das ist an jedem Tag, aber insbesondere am heutigen, ein Armutszeugnis.

„Wir als DaMigra fordern eine migrantische Perspektive auf die Tat, eine Betroffenenzentrierung und eine ganz klare Benennung der Tat als das, was sie ist: antisemitisch, rassistisch, frauenfeindlich und rechtsterroristisch. Wir fordern, dass sich Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung in Halle, Sachsen-Anhalt und ganz Deutschland gehört und sicher fühlen. Das bedeutet ganz klar, dass rechte Gewalttäter*innen von Justiz und Polizei zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Extrem rechte, rassistische und frauenfeindliche Vorfälle müssen lückenlos und konsequent aufgeklärt werden. Das bedeutet auch, klare Signale an die Öffentlichkeit zu senden: Die Stadt Halle darf an diesem wichtigen Gedenktag dem mehrfach vorbestraften Rechtsextremisten Sven Liebich keinen Raum für seine Hetze auf dem Marktplatz geben.“ (Dr. Soraya Moket, stellvertretende Geschäftsleiterin DaMigra e. V.)

Veränderungen der bisherigen deutschen Gedenk- und Erinnerungskultur sind dringend notwendig: (post-) migrantische Stimmen und Positionen müssen nicht nur sichtbar sein und gehört werden – ohne diese Stimmen ist eine Aufarbeitung und Bekämpfung nicht möglich. Erinnern darf nicht nur symbolisch bleiben, sondern muss in konkreten Taten münden. Was nützen weitere Denkmäler, Erinnerungstage und Mahnmale den Betroffenen, wenn rassistische Strukturen in Institutionen, Politik und der Polizei weiter diskriminieren und ausgrenzen?

Um unser Anliegen in die Stadtgesellschaft zu tragen, fand am 5. Oktober im halleschen Stadtmuseum die Kooperationsveranstaltung „Anschlag vom 9. Oktober aus (post-) migrantischer Perspektive“ mit LAMSA e. V., DaMOst e. V. und DaMigra e. V. statt. Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen die Stimmen der migrantischen Communitys in Halle. In Workshops und Austauschrunden wurden die Erinnerungen an den 9. Oktober zusammengetragen, Leerstellen im Gedenken an das Attentat benannt und Wünsche für die Zukunft formuliert. Die Ergebnisse der Veranstaltung werden als Nachbericht auf www.damigra.de zu finden sein.

Wenn Sie Initiativen oder Vereine vor Ort unterstützen möchten, dann wenden Sie sich an den Gedenkort TEKIEZ im Paulusviertel, an das Bündnis „Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage“ oder an unseren Standort in Halle.

DaMigra e.V. ist die Interessenvertretung von Migrantinnenselbstorganisationen und ihren Belangen und setzt sich für Chancengerechtigkeit, gleichberechtigte Teilhabe und für die Gleichstellung von Frauen mit Migrationsgeschichte und Fluchterfahrung in Deutschland ein. DaMigra verfolgt den Ansatz des Antirassistischen Feminismus.

Meldungen

Gemeinsam MUTig

MigrantinnenMärz 2023

Von dem Mut, weiterzumachen – Ein Film von DaMigra e.V.

Am 13.03.2023 präsentieren wir im Kontext unserer deutschlandweiten Kampagne „MigrantinnenMärz“ einen dokumentarischen Kurzfilm. Zwei Frauen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte teilen ihre persönlichen Geschichten, indem sie … 

weiterlesen

Termine

WOMEN RAIS.ED

Online, 29. April 2024

Trialog Israel-Palästina mit Jouanna Hassoun und Shai Hoffmann

Liebe Interessierte, DaMigra e. V. und das Antirassismusprojekt women rais.ed lädt euch gemeinsam mit dem Multikulturellen Forum und ...

weiterlesen

Gemeinsam MUTig

Leipzig, 29. April 2024

Sprachcafé in Leipzig

Liebe Frauen, Liebe Ehrenamtlerinnen, Liebe Interessierte, DaMigra e.V. lädt im Rahmen des „Gemeinsam MUTig“ Projekts herzlich zum Sprachcafé ...

weiterlesen