Home > Meldungen > Gewalt unter dem Radar des Gesetzes – emotionaler Druck und FGM-C in Deutschland

Gewalt unter dem Radar des Gesetzes – emotionaler Druck und FGM-C in Deutschland

Am 05. Februar 2021 hat DaMigra eine Informations- und Diskussionsveranstaltung zum Thema weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation – Cutting, FGM-C) organisiert, zu der sich über 120 Personen verschiedener Organisationen und Interessierte online einfanden. Die aktuellen Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen für Überlebende von FGM-C sind nicht effizient, das haben die Debatten im Februar und Juni 2020 gezeigt.

Gesellschaftliche und/oder ökonomische Zwänge, sozialer Druck und patriarchale Rollenverständnisse sind offenbar entscheidende Faktoren für die Praxis von FGM-C. Ein öffentlicher Diskurs ohne Differenzierung, ohne Einbeziehung des Wissens der Betroffenen und ihrer Eigeninitiativen und Vereine, kann Stigmatisierung von Betroffenen und ihren Familien und damit auch weitere Formen von Diskriminierung bewirken.

2021 haben wir daher die Auswirkungen von emotionalem Druck in Zusammenhang mit FGM in den Blick genommen und gefragt: Was ist psychische Gewalt aus juristischer Perspektive und ist sie in Deutschland strafbar? Wie funktioniert emotionaler Druck in Communitiys? Welche Formen von emotionalem Druck begegnen Eigeninitiativen und Selbsthilfeorganisationen in ihrer Alltagsarbeit?

Psychische Gewalt sei im Allgemeinen, aber vor allem auch im Hinblick auf FGM-C, strafrechtlich schwer greifbar, sagte Dr. Anne-Katrin Wolf, Mitglied der Strafrechtskommission des Deutschen Juristinnenbundes (djb) in ihrem Input. Es braucht eine mehrdimensionale Betrachtung und Definition von emotionalem Druck, damit Jurist*innen eine Handhabe haben.

Es gehe nicht darum, Traditionen im Allgemeinen zu kritisieren, sondern jene abzuschaffen, die Gewalt legitimieren. Dafür brauche es einen respektvollen Austausch mit den Communities, ohne zu stigmatisieren. Auf rechtlicher Ebene müsse psychische und körperliche Gewalt gleichermaßen betrachtet werden. Nur so könne FGM-C und alle Formen von Gewalt gegen Frauen* enden, sagte Mitbegründerin und Vorstandsvorsitzende a.D. von DaMigra e.V. und EU-Abgeordnete Dr. Pierrette Herzberger-Fofana in ihrem Eröffnungsvortrag.

Wie emotionaler Druck in Communitys funktioniert und wirkt, wie sehr weibliche Genitalverstümmelung nicht nur die Seele und die Körper der Mädchen* und Frauen* verletzt, sondern sie auch drastisch in ihrem Recht auf ein selbstbestimmtes Leben beschneidet, erläuterte Fadumo Korn, 1. Vorsitzende von Nala e.V., eindringlich. Die Ansicht, die auch in den Communitys vertreten ist, dass unversehrte Frauen* „wertlos“, die unversehrte Klitoris „schmutzig“ sei – das verursacht seelische Qualen, denen Frauen* und Mädchen* ausgesetzt sind. Deshalb ist es so wichtig, dass es neben der angemessenen medizinisch-psychologischen Versorgung auch eine psychologische Nachbetreuung im Nachgang einer Rekonstruktions-OP geben muss.

Es fehlt an geschultem, medizinischem Personal und psychologischen Angeboten. Dieser Mangel wird von den Beraterinnen* in den wenigen Beratungsmöglichkeiten und Anlaufstellen der Eigeninitiativen und Selbsthilfevereinen FGM-C-Betroffener aufgefangen. Diese meist ehrenamtlich geleistete Arbeit erfordert sehr viel Zeit. Oftmals arbeiten die Beraterinnen* über ihre Belastungsgrenze hinaus, weil der Bedarf so groß ist, schildert Virginia Wangare Greiner von Maisha e.V. die Arbeitssituation. Als besonders wirkmächtig beschreibt Wangare Greiner die Rolle der Tabuisierung des Themas.

Grundlegende Sensibilisierung und Verfahrensänderung seitens der Behörden über die Rechte von FGM-C bedrohter und betroffener Frauen* seien ebenfalls dringlich gegeben, betont Bettina Gütschow von Imma e.V..

Fazit

Emotionaler Druck und emotionale Erpressung sind Mittel zur Durchsetzung bestimmter Interessen und dienen dem Erhalt patriarchaler Machtstrukturen. Das wird nirgendwo deutlicher als bei FGM-C. Gleichwohl ist die Ausübung dieser Form von psychischer Gewalt nicht auf FGM-C beschränkt. Ebenso wenig kann FGM-C einer bestimmten Kultur oder Tradition zugeordnet werden. Die Frau *, das Mädchen*, ist immer Objekt des Mannes. Der gesellschaftliche Stellenwert einer Frau*, eines Mädchens*wird immer von einer patriarchalen Denk und Handlungsweise bestimmt.

Auf diesen gemeinsamen Nenner können sich nahezu alle Kulturen der Welt beziehen. FGM-C ist eine furchtbare Form der Menschenrechtsverletzung. Es ist daher richtig und wichtig, FGM-C unter Strafe zu stellen. Allerdings greift dieses Verbot nicht, wenn es um die Ausübung von psychischer Gewalt geht. Daher wird sich DaMigra auch weiterhin politisch dafür einsetzen, dass Emotionaler Druck als Form der psychischen Gewalt anerkannt und in Gesetze und Richtlinien einfließen wird.

Meldungen

Gemeinsam MUTig

MigrantinnenMärz 2023

Von dem Mut, weiterzumachen – Ein Film von DaMigra e.V.

Am 13.03.2023 präsentieren wir im Kontext unserer deutschlandweiten Kampagne „MigrantinnenMärz“ einen dokumentarischen Kurzfilm. Zwei Frauen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte teilen ihre persönlichen Geschichten, indem sie … 

weiterlesen

Termine

WOMEN RAIS.ED

Berlin, 24. April 2024

Einladung zum Film: ELAHA von Milena Aboyan

Liebe Interessierte, hiermit laden wir euch zum Filmnachmittag ein. Im Rahmen des Antirassismusprojekts von DaMigra, women rais.ed, möchten ...

weiterlesen

MyTurn

Erfurt, 26. April 2024

Kreativworkshop: Neue Wege, neue Träume: Meine berufliche Zukunft in Deutschland

Liebe Frauen, liebe Interessierte, DaMigra e.V. lädt im Rahmen des MyTurn-Projekts herzlich zum Kreativworkshop „Neue Wege, neue Träume: ...

weiterlesen