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#Keine Mehr! Der Mord an Nadera geht uns IMMER NOCH Alle an!

Am 11. Februar 2023 wurde Nadera von ihrem Ex-Mann, mit dem sie 2015 nach Deutschland floh, vor den Augen ihrer Kinder getötet. Trotz Schutzsuche bei staatlichen Institutionen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Beratungsstellen fehlte ausreichender Schutz – auch, weil die Institutionen für Nadera, und viele andere migrierte und geflüchtete Frauen, voller Hürden sind. Nun steht das Ermittlungsverfahren kurz vor dem Ende, Naderas Ex-Mann steht vor Gericht und die Staatsanwaltschaft wird eine Entscheidung treffen. Wir möchten daran erinnern, dass es nicht nur die Auswirkungen des Patriarchats waren, die Nadera das Leben gekostet haben, sondern auch die unterlassene Hilfe und fehlender Schutz durch den Staat und seine Institutionen.

Als Dachverband der Migrantinnenorganisationen (DaMigra e.V.) wollen wir den bekannten Narrativen von Beziehungstat, Kultur und Religion keine Chance geben. Es war ein Mord, ein Femizid. Naderas Femizid war die Folge einer jahrelangen Eskalation häuslicher Gewalt, die sich über Jahre hingezogen hat und in dem sie nicht ausreichende Unterstützung bekam. Sie konnte vor allem nicht geschützt werden, weil ein Gericht dem Mann Umgang mit den Kindern gewährte und somit der Schutz durch ein Kontakt- und Näherungsverbot aufgehoben wurde. Hier liegt die Verantwortung eindeutig beim Gericht, das einer patriarchalen Logik und Rechtsprechung folgend die Rechte des Vaters über den Schutz einer Frau stellte, welche bereits durch ein anhaltendes Kontinuum der Gewalt bedroht war. Es war weitreichend bekannt, dass Naderas Ex-Mann wiederholt gewalttätig und gefährlich gegenüber ihr und den Kindern war. Als Nadera ihre Situation selbstbestimmt für sich und ihre Kinder verändern wollte und Schutz beim Staat suchte, nahm ihr der Ex-Mann die Handlungsmöglichkeiten und ermordete sie. Seine Tat ist unter anderem das Ergebnis sexistischer Besitzansprüche, die auf patriarchalen Rollenvorstellungen beruhen.

Wir fordern die Staatsanwaltschaft auf, nicht in gängige patriarchale Argumentationsmuster zu verfallen! Ohne die Aufhebung des Kontakt- und Näherungsverbotes und damit der Gewährung des Umgangs mit den Kindern hätte es unter Umständen nicht zu der Tat kommen müssen. Die patriarchale Logik, welche bereits in der Rechtsprechung des Familiengerichts zum Vorschein kam, darf im Ermittlungsverfahren nicht wiederholt werden! Denn häufig wird in Femizidprozessen argumentiert, die Tat sei das Ergebnis einer „intensiven Emotion“, einer „emotionalen Beziehungstat“ oder einer „Ausweglosigkeit“. Dieses Argumentationsmuster soll zeigen, dass der Täter einfach keinen anderen Ausweg sah, als eine Frau zu töten, bzw. auch, dass ihm durch die Trennung anscheinend etwas genommen wurde. Dass diese sich von ihm trennen wollte und er ihr kein selbstbestimmtes Leben zugestehen wollte, wird in dieser Argumentation einfach ausgeblendet und unbeachtet.

Wir fordern alle Prozessbeteiligten auf, nicht in verharmlosende Narrative zu verfallen. Nadera wollte sich und ihre Kinder vor einem gewalttätigen Mann schützen und wurde ermordet. Diese Gewalt, der Nadera und ihre Kinder ausgesetzt waren und die in ihrer Ermordung am 11. Februar 2023 gipfelte, muss rechtliche Konsequenzen haben. Das Narrativ einer „zerrütteten Ehe“ darf nicht als strafmildernd angesehen werden. Erst Anfang Juli 2023 wurde das Lagebild des Bundeskriminalamtes veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass gemeldete Straftaten aufgrund des Geschlechts des Opfers und/oder der sexuellen Orientierung insgesamt zugenommen haben. In unmittelbarem Zusammenhang damit hat der Bundestag am 22. Juni 2023 beschlossen, „geschlechtsspezifische“ und „gegen die sexuelle Orientierung“ gerichtete Motive ausdrücklich als strafschärfend in das Strafgesetzbuch aufzunehmen. Das Gesetz tritt am 1. Oktober 2023 in Kraft – und diese Ergänzung war längst überfällig.

Wir fordern in diesem Fall und in allen anderen Fällen geschlechtsspezifischer Gewalt, dass patriarchale Tatmotive explizit benannt und aufgearbeitet werden. Darüber hinaus müssen präventive Maßnahmen und der Schutz der Betroffenen im Fokus der Politik stehen. Dazu fordern wir die vorbehaltlose und vollständige Umsetzung der Istanbul-Konvention, die am 1. Februar 2018 in Deutschland in Kraft getreten ist. Sie besagt unter anderem, dass Staaten die notwendigen Maßnahmen ergreifen müssen, um Frauen und Mädchen vor Gewalt zu schützen. Die Vertragsstaaten verpflichten sich, Gewalt gegen Frauen zu verhindern, zu verfolgen und zu beseitigen, die Diskriminierung von Frauen zu verhindern und die Rechte von Frauen zu stärken.

Gemeinsam kämpfen wir gegen menschenverachtende und geschlechtsspezifische Gewalt in patriarchalen Verhältnissen und für unsere Selbstbestimmung!

Unser Kampf geht weiter und keine Frau wird vergessen!


DaMigra e.V. ist Verfasserin dieser Meldung in Zusammenarbeit mit Haus der Frauen Zwickau e.V. und weiteren solidarischen Unterstützer*innen.


DaMigra e.V. ist die Interessenvertretung von Migrantinnenselbstorganisationen und ihren Belangen. Sie setzt sich für Chancengerechtigkeit, gleichberechtigte Teilhabe und für die Gleichstellung von Frauen mit Migrationsgeschichte und Fluchterfahrung in Deutschland ein. DaMigra verfolgt den Ansatz des antirassistischen intersektionalen Feminismus.

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