Struktureller Rassismus, rechtsmotivierte und rassistische Polizeigewalt in Thüringen
Thüringer Zustände: Rechtsextremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit im Freistaat Thüringen im Mai 2021 (S. 61-64).
Ein Artikel von Sarah Ulrich.
Auszüge des Kapitels „Struktureller Rassismus, rechtsmotivierte und rassistische Polizeigewalt in Thüringen“
Fragt man Mitarbeiter:innen des Erfurter Büros von DaMigra, dem Dachverband der Migrantinnenorganisationen, erzählen diese, dass für viele Frauen mit Migrations- und Fluchtgeschichte rassistische und sexistische Erfahrungen mit öffentlichen Behörden an der Tagesordnung seien.
Insbesondere im Kontext häuslicher Gewalt haben Betroffene negative Erfahrungen mit der Polizei gemacht. »Rassistische Stereotype führen manchmal dazu, dass notwendige Maßnahmen zum Schutze gewaltbetroffener Migrant:innen ausbleiben«, sagt Rudaba Badakhshi, die Regionalkoordinatorin* Mitteldeutschland von DaMigra.
Die Erfahrungen der Betroffenen würden abgewertet oder kulturalisiert (Shooman 2014), Menschen also aufgrund kultureller Annahmen nicht ernst genommen. So habe es zum Beispiel eine geflüchtete Frau, die in Erfurt lebt, im vergangenen Jahr erst erfahren müssen. Sie und ihre Kinder seien von ihrem Lebenspartner massiv bedroht worden, erzählt Badakhshi. Die Polizei sei eingeschaltet worden, habe der Betroffenen jedoch lediglich einen Zettel mit einer unbekannten Nummer und einem Text, dessen Sprache sie nicht verstand, hinterlassen.
Eine Mitarbeiterin des Erfurter DaMigra-Büros, die die Frau unterstützte, sei in Folge dessen selbst massiv von dem Täter bedroht, gestalkt und belästigt worden.
Als sie Anzeige erstatten wollte, »musste sie stundenlang vor dem Polizeigebäude ausharren in ständiger Angst, der Täter könnte ihr vor der Polizei auflauern«, sagt die DaMigra-Mitarbeiterin. »Diese Gefahr war den zuständigen Beamt:innen bewusst und dennoch konnte unsere Kollegin* nur aufgrund ihres beharrlichen, mehrmaligen Nachfragens eine Anzeige erstatten.«
Generell berichtet die Organisation davon, dass die Betroffenen häuslicher Gewalt meist kein Vertrauen in die Polizei hätten, weil »sowieso nichts passiert, wenn sie die Polizei anrufen«. Und wenn, dann müssten einige Angst um Konsequenzen für ihren Aufenthaltsstatus haben.
Viele würden daher auf eine Anzeige verzichten — was zu weiterer psychischer Belastung und Abhängigkeitsverhältnissen bis hin zu physischer Gewalt führe. Badakhshi spricht von einer »Benachteiligung von Frauen* beim Gewaltschutz in Abhängigkeit vom Aufenthaltstitel«.
Jedoch wird beispielsweise vom Thüringer Antidiskriminierungsnetzwerk thadine kritisiert, dass die Beschlüsse aus der Enquete bislang nur unzureichend umgesetzt wurden (thadine 2020). Beispielsweise fehlt die Einrichtung einer unabhängigen Antidiskriminierungsstelle, bei der Fälle wie Racial Profiling und andere Diskriminierungen gemeldet und in einer Statistik verarbeitet werden können.
»Die fehlende unabhängige Antidiskriminierungsberatungsstelle macht sich besonders dann schmerzlich bemerkbar, wenn es um Diskriminierung und Gewalt seitens staatlicher Institutionen geht«, sagt Rudaba Badakhshi von DaMigra dazu. »Vielen Betroffenen von rassistischer Diskriminierung fehlt eine Anlaufstelle, an die sich wenden und spezifische, langfristige Unterstützung bekommen können.«
Die Erfahrungen mit rassistischer und rechtsmotivierter Diskriminierung und Gewalt durch Polizei und Behörden in Thüringen sind vielschichtig. Der Widerstand liegt vor allem in den Selbstorganisationen der Betroffenen wie DaMigra oder ISD und unabhängigen Stellen wie ezra. Um die Situation nachhaltig zu verändern, braucht es jedoch die konsequente Umsetzung strafrechtlicher Maßnahmen gegen rassistische Polizeibeamt:innen sowie eine Sensibilisierung innerhalb der Polizei, Justiz und Behörden. Derzeit, das zeigen die Beispiele, gibt es noch viele Hürden – etwa eine mangelnde Fehlerkultur, einen starken Korpsgeist innerhalb der Polizei oder fehlende Konsequenzen.
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