Strukturen durchleuchten: Gewalt und Gewaltschutz
Noch immer ist Gewalt ein weitverbreitetes Phänomen und hat unterschiedliche Gesichter. Das hat uns dazu veranlasst, unsere erste Woche des Migrantinnenmärzes dem Thema Gewalt und Gewaltschutz zu widmen.
Insbesondere Gewalt in der Partnerschaft und sexualisierte Gewalt sind häufig auftretende Formen. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat weltweit etwa jede dritte Frau im Laufe ihres Lebens körperliche oder sexualisierte Gewalt in der Partnerschaft oder Gewalt durch Nicht-Partner erlebt. Das sind insgesamt 30 Prozent – ein verheerendes Ergebnis. Obendrein fällt auf:
Abgesehen von Frauen gehören queere Menschen zu der Gruppe, die am meisten von Gewalt betroffen ist. Personen, die aufgrund ihrer Mehrfachidentität intersektional diskriminiert werden, erleben gleichzeitig mehrere Formen der Gewalt. Sexismus, Ableismus und Rassismus treten oft in Kombination mit tief reichenden Verzahnungen von Gewalt auf. Auch Frauen mit Migrations- und Fluchtgeschichte leiden ungleich stärker unter Gewalt, da sie weniger Chancen und Zugang zur gesellschaftlichen Teilhabe, sicheren Räumen und auf dem Bildungs- und Arbeitsmarkt haben. Mehrfach diskriminierte Frauen bedürfen daher einem besonderen Schutz vor jeglicher Gewalt.
Doch was ist Gewalt und wie definieren wir sie?
DaMigra e. V. betrachtet Gewalt aus intersektionaler, feministischer und antirassistischer Perspektive. Das heißt, wir sehen, dass Gewalt nicht alle gleich trifft.
Wir verstehen Gewalt gegen Frauen sowohl als Form von Diskriminierung als auch als Menschenrechtsverletzung. Geschlechtsspezifische Gewalt muss nicht physisch geschehen, um als solche identifiziert zu werden. Auch Handlungen, Strukturen und Einstellungen, die zu körperlichen, sexuellen, psychischen, emotionalen oder wirtschaftlichen Schäden oder Leiden sowie zu sozialer, kultureller, religiöser und politischer Ausgrenzung führen (können), sind massive Formen der Gewalt. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um eine durchgeführte Tat, eine Androhung, Nötigung, strukturelle Barrieren oder Einstellungen handelt. Gewalt ist Gewalt – ganz gleich, ob sie zu Hause, in der Öffentlichkeit oder im digitalen Raum ausgeführt und von wem sie ausgeübt wird. Denn sie wirkt – und das in verheerenden Ausmaßen in allen Lebensbereichen.
Was ist Gewaltschutz und was benötigen wir, dass ALLE vor Gewalt geschützt sind?
Gewalt kann alle Menschen treffen; dass sie aber insbesondere Frauen und queere Menschen erleben, hat strukturelle Gründe: Sie gehören zu den Gruppen, die im Patriarchat ohnehin immer Diskriminierungen erfahren. So ist Gewalt gegen Frauen unter anderem in historisch ungleichen Machtverhältnissen zwischen Männern und Frauen verwurzelt. Zudem beginnt Gewalt bereits mit etablierten Einstellungen und festen Strukturen, durch die direkte Gewalt oftmals legitimiert wird. Viele Betroffene wissen oft nicht, dass ihnen Gewalt widerfährt und wie sie sich in vielfältigen Gewaltsituationen verhalten. Dies führt dazu, dass Betroffene Unzulänglichkeiten auf sich selbst beziehen und zeitgleich eigene Identitäten nach außen verteidigen müssen.
Schutz vor Gewalt benötigt indes vielmehr:
· Aktiver Abbau von Vorurteilen: Gewalt-Betroffene müssen Beratungsangebote aufsuchen können, ohne Angst davor zu haben, zusätzlich intersektional diskriminiert zu werden. Personen, die Gewalt erleben, sollten gesellschaftlich aufgefangen und nicht zusätzlich damit belastet werden, Vorurteile bei Berater*innen zu widerlegen.
· Anpassung institutioneller Strukturen an die Vielfalt unserer Gesellschaft: Dazu gehören gesamtgesellschaftliche Sensibilisierungen innerhalb juristischer, politischer und sozialer Debatten. Fachkräfte müssen nicht nur aufgeklärt werden, sondern auch dementsprechend mit genug Ressourcen ausgestattet werden. Besonderer Schwerpunkte sollten dabei auch Schulungen zu der Istanbul Konvention und Awareness-Themen sein.
· Abbau patriarchalischer Strukturen: Das beginnt mit dem Bewusstsein über die Existenz des Patriarchats. Aufklärung und Debatten innerhalb aller Sphären der Gesellschaft müssen Gehör finden. Und dabei sollten Forderungen alle Aspekte gesellschaftlicher Gerechtigkeit beinhalten. Antirassistische, antitransfeindliche, antihomofeindliche Diskurse müssen geführt werden.
· Ausbau von Schutzräumen für von Gewalt Betroffene: Es braucht nicht nur besondere Schutzvorkehrungen für von Gewalt betroffene Frauen, sondern auch sichere und beständige Räume, in denen sich Frauen gehört, gesehen und verstanden fühlen. Dadurch werden sexualisierte und/oder rassistische Gewalterfahrungen in der Gesellschaft sichtbar. Daher sind breite feministische-antirassistische Bündnisse so enorm wichtig, da diese eben jene Räume und Umgebungen für Betroffene schaffen können.
DaMigra e. V. ist die Interessenvertretung von Migrantinnenselbstorganisationen und ihren Belangen und setzt sich für Chancengerechtigkeit, gleichberechtigte Teilhabe und für die Gleichstellung von Frauen mit Migrationsgeschichte und Fluchterfahrung in Deutschland ein. DaMigra verfolgt den Ansatz des Antirassistischen Feminismus.
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