Zum Internationalen Tag gegen Menschenhandel: Flucht mündet für viele Frauen in Abhängigkeiten und Arbeitsausbeutung
Berlin, 30.07.2023. Nach wie vor sind Frauen und Mädchen weltweit am häufigsten Opfer von Menschenhandel. Insbesondere geflüchtete Frauen sind von Arbeitsausbeutung und sexualisierter Gewalt betroffen. Das muss enden – DaMigra fordert Taten statt Worte!
Heute am 30. Juli ist der Internationale Tag gegen Menschenhandel. Diesen Tag nehmen wir erneut zum Anlass, um darauf aufmerksam zu machen, dass Menschenhandel in Deutschland kein Randphänomen ist. Entgegen der Ansicht, Menschenhandel sei vorrangig ein Problem des Globalen Südens, ist die Ausbeutung von Arbeitskräften in Europa zu den häufigsten Formen des Menschenhandels geworden, wie die Expert*innengruppe des Europarates zur Bekämpfung von Menschenhandel (GRETA) 2022 betonte.[1] Eine besonders dramatische Auswirkung dessen: In Deutschland sind schätzungsweise bis zu 700.000 vor allem weibliche Arbeitskräfte in der häuslichen 24-Stunden-Pflege tätig.[2]
Bereits vor Ausbruch des Krieges kamen sehr viele 24-Stunden-Haushaltshilfen aus der Ukraine nach Deutschland. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Situation für geflüchtete Frauen noch verschärft. Darauf weist die gestiegene Anzahl von Stellenangeboten in ukrainischer Sprache für die Intensivpflege in den Sozialen Medien hin.[3] Geflüchtete Frauen auf der dringenden Suche nach Arbeit finden im Internet Stellenangebote für Pflegepersonal zu menschenunwürdigen Arbeitskonditionen. Oft handelt es sich dabei um 24-Stunden-Pflegejobs, die keinen Arbeitsschutz, keinen Mindestlohn, keine geregelten Arbeitszeiten und keine Privatsphäre für die Arbeitnehmerinnen bieten. Die Übergänge zwischen schwerwiegender Arbeitsausbeutung und Menschenhandel sind häufig fließend. [4]
„So genannte Live-Ins sind ja nur ein Beispiel für die Ausbeutung von Menschen in Notsituationen. Wieder einmal sind es mehrfachdiskriminierte Frauen, die im besonderen Maße leiden. Deutschland sollte und muss vor der eigenen Haustür kehren, um Ursachen von menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen effizient zu bekämpfen. Wir fordern daher für alle migrierten und geflüchteten Frauen legale und sichere Fluchtwege, gerechte Zugänge zu Bildungseinrichtungen und zum Arbeitsmarkt und funktionierende staatliche Kontrollinstanzen, die Menschenhandel unterbinden.“, betont die Regionalkoordinatorin Ost von DaMigra e.V., Rudaba Badakhshi.
Im November 2022 hat die „Berichterstattungsstelle Menschenhandel“ am Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR) ihre Arbeit aufgenommen. Diese Stelle soll kontinuierlich und unabhängig darüber berichten, wie in Deutschland die Europaratskonvention gegen Menschhandel und die EU-Menschenhandelsrichtlinie umgesetzt werden.
Die bloße Dokumentation und Berichterstattung zur Umsetzung der Menschenhandelskonventionen des Europarates reichen nicht aus. Studien berücksichtigen nicht die ungemeldeten Vorfälle. Es ist an der Zeit, sofortige Maßnahmen auf nationaler Ebene zu ergreifen, um Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen, die sie in eine Spirale des Menschenhandels bringen. Geflüchtete Frauen benötigen rechtlichen und gesellschaftlichen Schutz für ihre physische und psychische Gesundheit. Darüber hinaus müssen Entscheidungsträger*innen regelmäßige Aufklärungen und Schulungen zum Thema Menschenhandel und dessen Erscheinungsformen erhalten. DaMigra fordert einen sofortigen menschenrechtsbasierten und praktischen Ansatz, indem die Istanbul-Konvention konsequent umgesetzt wird.
DaMigra e.V. ist die Interessenvertretung von Migrantinnenselbstorganisationen und ihren Belangen. Sie setzt sich für Chancengerechtigkeit, gleichberechtigte Teilhabe und für die Gleichstellung von Frauen mit Migrationsgeschichte und Fluchterfahrung in Deutschland ein. DaMigra verfolgt den Ansatz des antirassistischen intersektionalen Feminismus.
[1] Vgl. Europäischer Tag gegen Menschenhandel: Staaten müssen dringend Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft bekämpfen: https://www.coe.int/en/web/portal/-/european-anti-trafficking-day-states-must-urgently-tackle-human-trafficking-for-labour-exploitation
[2] Vgl. Häusliche Betreuung: Harte Arbeit, wenig Schutz | Institut für Menschenrechte (institut-fuer-menschenrechte.de) (abgerufen am 17.07.2023)
[3] Vgl. 24-Stunden-Pflegekräfte aus den Staaten außerhalb der EU Working Paper 07/2021: https://minor-kontor.de/wp-content/uploads/2021/11/FE_WP-Live-ins_2021_07_26_Online.pdf
[4] S. 24, Analyse – Harte Arbeit, wenig Schutz Osteuropäische Arbeitskräfte in der häuslichen Betreuung in Deutschland (Oktober 2022): https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen/Analyse_Studie/Analyse_Harte_Arbeit.pdf
https://www.unodc.org/documents/data-and-analysis/glotip/2022/GLOTiP_2022_web.pdf (abgerufen am, 17.07.2023)
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