Weil Ankommen Mut braucht: Ausbeutung von Frauen mit Migrationsgeschichte durch Care-Arbeit
Care-Arbeit? Was ist das? – Systemrelevant!
Kinderbetreuung, Haushaltsarbeiten, Kranken- und Altenpflege – all das ist Care- oder auch Sorgearbeit. Dabei ist es egal, ob sie institutionell oder privat organisiert und ob entlohnt wird. Allerdings bleibt private Care-Arbeit überwiegend unsichtbar. Seit Jahrzehnten machen Aktivist*innen in feministischen Bewegungen auf die Systemrelevanz und den schlechten Arbeitsbedingungen der Care-Arbeitenden aufmerksam. Viele von ihnen sind Migrantinnen.
Globalisierte Sorgeketten auf Kosten von Migrantinnen
Einem Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zufolge gab es im Jahr 2015 weltweit schätzungsweise 11,5 Millionen Menschen, die ihr Zuhause und ihre Familien verlassen haben, um in Privathaushalten zu arbeiten. Die Migration verläuft in der Regel entlang eines internationalen Gefälles sowohl vom sogenannten Globalen Süden in den Globalen Norden als auch von Ländern des Ostens in wirtschaftlich dominante Länder des Westens. In der Analyse spricht man hierbei von „globalisierten Sorgeketten“ beziehungsweise von „Global Care Chains“.
Die meisten Care-Arbeiterinnen – etwa 80 Prozent – sind in den Ländern mit den höchsten Durchschnittseinkommen zu finden: also auch in Deutschland. Mit dem Rückgang der Geburtenraten haben diese alternden Gesellschaften einen steigenden Pflegebedarf. Auch die veränderten Familienstrukturen dieser Länder führen zu einer Sorgelücke, dem sogenannten Care-Gap, da Frauen zunehmend in der Erwerbsarbeit und weniger in der Hausarbeit tätig sind.
Aber auch Frauen mit gültigem Aufenthaltsstatus sehen sich solchen prekären Beschäftigungsbedingungen im Care-Sektor ausgesetzt. Im Projekt MUT 3.0 können wir von unserer Erfahrung berichten, dass Frauen mit Migrationsgeschichte häufig in Reinigungs-, Pflege- oder Betreuungsberufe vermittelt werden, selbst wenn sie eine Qualifikation oder Berufserfahrung in einem anderen Bereich mitbringen.
Ausbeutungen vor allem in Pflege-, Reinigungs- oder Betreuungsberufen
Um diese Lücke zu füllen, werden Migrantinnen und ihre Lebensumstände ausgenutzt. Denn ursprünglich kommen die migrierten Arbeiter*innen mit anderen Wünschen und Zielen an ihrem neuen Wohnort an, nämlich besser Lebensverhältnisse zu erlangen. Sie geraten in einen Teufelskreis und arbeiten in menschenunwürdigen Arbeitsverhältnissen. Aus Angst, wieder dorthin zurückkehren zu müssen, wo sie bereits schlimme Lebensbedingungen erfahren haben, arbeiten sie nicht selten illegal. Prekäre Aufenthalts- und Arbeitsrechte werden von Arbeitgeber*innen ausgenutzt.
Konvention 189 bleibt fiktiv
Im Jahr 2013 wurde in Deutschland die Konvention 189 des Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ratifiziert. Das Übereinkommen bestätigt die Arbeitsrechte von Hausangestellten. Fast zehn Jahre später kämpfen diese jedoch immer doch darum, als Beschäftigte und Dienstleistende anerkannt zu werden. Noch immer befindet sich die Bezahlung unterhalb des Mindestlohns. Zudem haben Arbeitnehmer*innen kaum bis gar keinen Zugang zum Gesundheitssystem. Dabei benötigen Betroffene diesen mehr denn je: Rassismus, Isolation und der psychische Druck sind Belastungen, mit denen sie täglich zu kämpfen haben.
Die Realität vieler Care-Arbeiter*innen steht somit im Kontrast zu den Zielsetzungen der Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Das Ziel 8 zum Thema Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum sieht beispielsweise vor, „[d]ie Arbeitsrechte [zu] schützen und sichere Arbeitsumgebungen für alle Arbeitnehmer, einschließlich der Wanderarbeitnehmer, insbesondere der Wanderarbeitnehmerinnen, und der Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, [zu] fördern.“
Aus dieser Problemlage ableitend fordern wir als DaMigra e.V.:
Die echtliche und formelle Legalisierung illegalisierter Menschen damit sie Zugng zu Arbeitsrechten erhalten, die Einhaltung der von Deutschland ratifizierten ILO Konvention Paragraph 189, staatlich festgelegte Standards für private Vermittlungsagenturen und für Unternehmen im Gesundheitswesen sowie die Einrichtung von mehrsprachigen Beratungsstellen.
Dieser Beitrag ist im Rahmen der Kampagne rund um unseren Film „Weil Ankommen Mut braucht“ entstanden. In der Dokumentation berichten drei Frauen mit Migrationsgeschichte über ihren Weg in den deutschen Arbeitsmarkt und die Hürden, mit denen sie zu kämpfen haben. Der Film wird am Tag der Migrant*innen, am 18.12.22, auf dieser Website veröffentlicht.
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