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Zum Internationalen Tag für Frauengesundheit: Eine Erinnerung an den Kampf gegen das Unrechtsystem der Unterdrückung

In der Versorgung und Betreuung von migrierten und geflüchteten Frauen bestehen bedeutende Mängel, insbesondere im Umgang mit gewaltvollen Erfahrungen während der medizinischen Behandlung. Ein Gespräch mit Douha Nasser: Betroffene, Gesundheitslotsin und Sachbearbeiterin bei AOK Plus in Leipzig.

Frauen mit Flucht- und Migrationserfahrung sind von weitreichenden Gesundheitsproblemen betroffen. Rassistische und sexistische Strukturen erschweren den Zugang zur Gesundheitsversorgung und verursachen psychische Belastungen. Douha Nasser selbst hat diese Herausforderungen erfahren. Nach ihrer Flucht aus Syrien vor 9 Jahren erkrankte sie schwer in Deutschland. Trotz Diskriminierungserfahrungen bei den Behandlungen hat sie sich entschieden, ihre neue Lebenskraft der Unterstützung anderer Betroffener zu widmen. So kam sie zur Anstellung bei der Krankenkasse und der ehrenamtlichen Tätigkeit als Gesundheitslotsin, bei der sie Menschen mit Migrationshintergrund zu Terminen begleitet.

Bei der Begleitung von Frauen mit Migrationsgeschichte falle ihr vor allem auf, dass in den Bereichen rund um Frauengesundheit, also in oft sehr delikaten Kontexten, zu wenig kultursensibler Umgang herrscht. Stattdessen gebe es häufig Sprachbarrieren, mangelnde Informationsverfügbarkeit, Zeitdruck und unzureichende Sensibilisierung für kulturelle Unterschiede. Die Qualifizierung des medizinischen Personals in Bezug auf religiöse und ethnische Vielfalt veraufe langsam, und es mangele an Beratung in Erstsprachen. All dies wirke sich negativ auf Behandlungen und Therapieerfolge aus. „Kultursensible Leistungen in einer mehrsprachigen Arztpraxis sind von großer Bedeutung, um sicherzustellen, dass die Patientinnen angemessen versorgt werden und sich respektiert und verstanden fühlen“, so Nasser.

Denn gerade Untersuchungen in der Frauengesundheit sind für viele geflüchtete Frauen mit negativen Emotionen wie Scham und Angst verbunden. Sexuelle Selbstbestimmungsrechte werden in vielen Gesellschaften der Welt weiterhin tabuisiert, indem der weibliche Körper lediglich auf Reproduktion reduziert wird. Gynäkologische Vorsorge und reproduktive Gesundheit sind daher für viele Frauen neu, weil sie schlicht dazu keinen Zugang in ihren Heimatländern haben. Laut Douha Nassar wird dieser Zugang zu reproduktiver Gesundheitsversorgung daher hier umso wichtiger, „einschließlich Verhütungsmitteln, sicherer Abtreibungsmöglichkeiten sowie Vor- und Nachsorgeleistungen für Schwangerschaften und Geburten“. Um den Scham, über diese Themen zu sprechen, abzubauen, braucht es Einfühlungsvermögen und Aufklärung auf beiden Seiten. Die Frauen müssen über ihre eigene Gesundheit informiert sein, damit sie Entscheidungen über Behandlungen treffen können, sagt sie weiter.

Nur so können gewaltvolle Erfahrungen für geflüchtete und migrierte Frauen verhindert werden. Ganz besonders kritisieren wir hierbei das fehlende Wissen von Gesundheitspersonal im Umgang mit von weiblicher Genitalverstümmlung (FGMC) betroffenen Frauen. Weibliche Genitalverstümmelung ist ein anerkannter Fluchtgrund; allein in Deutschland leben schätzungsweise über 100.000 Betroffene. Diese weltweit praktizierte Menschenrechtsverletzung ist also Realität für viele Frauen. Es darf nicht sein, dass Betroffene wegen fahrlässigem Kenntnisstand Angst vor Stigmatisierung und Behandlungsfehlern haben müssen – oder Untersuchungen erst gar nicht in Anspruch nehmen. Oft verstehen sie zudem rein sprachlich nicht, was um sie herum und an ihrem Körper geschieht. Kommt es in solch vulnerablen Situationen nicht zu gegenseitigem Verständnis und verständlicher Erklärung sind Verwirrung,  Kommunikations- und Behandlungsabbruch sowie Furcht die Folge. Nasser fordert eine umfassende Ausbildung von Ärzt*innen, damit sie Frauen in einer Weise behandeln können, die auf diese (kultur-)spezifischen Bedürfnisse abgestimmt sind.

Wir fordern die bedingungslose Umsetzung des Menschenrechtes auf medizinische Versorgungen für ALLE Frauen! Wir fordern endlich geschützte Räume, in denen interkulturelle Sensibilisierung, Beratung auf Augenhöhe und Aufklärungsarbeit Realität und Normalität sind.

Ein gewaltfreies Leben von Frauen und ihre Selbstbestimmungsrechte müssen auch – und im Besonderen – in Krankenhäusern und Praxen durchgesetzt werden.

Denn: „Wir sollten uns an diesem Aktionstag daran erinnern, dass die Förderung der Frauengesundheit ein wichtiger Schritt zur Schaffung einer gerechteren und inklusiveren Welt ist. Frauen brauchen Zugang zu erschwinglicher und qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung, unabhängig von ihrem sozialen Status, ihrem Aufenthaltstitel, ihrer Herkunft, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrem geografischen Standort„, so Nasser.

[1] https://www.frauenrechte.de/images/aktuelles/2022/FGM/2022_Dunkelzifferscha%CC%88tzung_final.pdf

[1] https://www.bmz.de/de/themen/frauenrechte-und-gender/gewalt-gegen-frauen-und-maedchen/fgm-weibliche-genitalverstuemmelung

https://www.bmz.de/de/themen/koerperliche-selbstbestimmung-und-reproduktive-gesundheit

 

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