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Dr. María Teresa Martínez Domínguez sagt als Standortkoordinatorin für Stralsund tschüß

Unsere geschätzte Kollegin Teresa, die den Standort in Stralsund mitaufgebaut und zuletzt das Projekt MUT 3.0 mitgetragen hat, verabschiedet sich vorerst von DaMigra, um berufliche neue Herausforderungen anzunehmen. Wir haben sie zu ihren Erkenntnissen und Erfahrungen der letzten Jahre befragt und wünschen ihr sowohl als Kolleginnen, aber auch als Mitstreiterinnen für eine feministische und gleichberechtigte Zukunft für alle Frauen, alles Gute auf ihrem Weg.

Wie lange warst du wie und wo für DaMigra tätig – wie bist du zu dieser Stelle gekommen?

Ich habe im Juli 2019 angefangen, für DaMigra zu arbeiten. Als ich 2014 nach Stralsund kam, verspürte ich das Bedürfnis nach einer Frauengruppe, in der wir uns gegenseitig unterstützen können. Ich habe zusammen mit anderen Frauen, die ich im Integrationskurs kennengelernt habe, die ehrenamtliche Initiative „Welt Frauen“ gegründet. Unser Ziel war es, über die Herausforderungen des Lebens in einer neuen Gesellschaft zu diskutieren und nach Lösungen und Potenzialen in uns selbst zu suchen. Diese Gruppe wurde von Migrant*innen geführt, stand aber allen Frauen offen. Für mich war die Sichtbarkeit von Migrant*innen in der Stadt sehr wichtig, um die Vielfalt unserer Stadt zu zeigen, da ich damals überrascht war, wie unsichtbar diese Gruppe war. Nach und nach knüpfte ich Kontakte zu verschiedenen Organisationen der Zivilgesellschaft und lernte die Arbeit von DaMigra kennen.

Mit welcher Motivation bist du damals in deine Arbeit für DaMigra gegangen ?

Ich hatte eine riesige Motivation, mit DaMigra zu arbeiten. Ich habe zuvor ein Jahr lang bei einer Migrantinnenselbstorganisation in Mecklenburg-Vorpommern gearbeitet und fand die Idee großartig, Teil eines breiteren Frauen Netzwerks zu sein, in dem wir auch politisch etwas bewirken können. Ich habe die letzten 25 Jahre in der Entwicklungspolitik gearbeitet, Die Stelle bei DaMigra habe ich als eine Gelegenheit gesehen, von der Basis aus mit Frauen verschiedener Kulturen und Bildungsniveaus zu arbeiten, die aufgrund der Herausforderungen von Migration, Fluchttraumata und struktureller Diskriminierung ihre Leben oft auf „Standby“ setzen mussten. Die Potenziale dieser Frauen freizusetzen und ein unterstützendes Netzwerk aufzubauen, war eine große Motivation für mich. DIe Unterstützung eines Netzwerks wie DaMigra zu haben war hilfreich, um die Meinungen, Bedürfnisse und Sorgen von Migrantinnen und geflüchtete Frauen in die breitere Gesellschaft zu tragen.

Was waren für dich rückblickend die Grundpfeiler deiner Arbeit, worauf bist du immer wieder zurückgekommen?

Wir haben in unserem Büro in Stralsund bei Null angefangen. Ich hatte zwar Kontakte zu Migrantinnen und geflüchtete Frauen und meine Kollegin hatte auch langjährige Erfahrung in der Arbeit in Gemeinschaftsunterkünften, aber es ist ein langer Prozess, Vertrauen aufzubauen und einen Ort anzubieten, an dem sich die Frauen sicher fühlen. Mein Mantra vom ersten Tag an war, die Frauen zu konsultieren und das Projekt gemeinsam zu gestalten – so habe ich in vielen anderen Projekten in verschiedenen Ländern gearbeitet. DaMigra ist ein Netzwerk von Migrantinnen für Migrantinnen, wir sitzen gemeinsam in diesem Boot. Ich war neu in Deutschland als ich den Job annahm, und ich wusste, dass es nur funktionieren kann, wenn wir eine Gemeinschaft schaffen, ein Zugehörigkeitsgefühl, in dem sich Frauen als Teil der Organisation fühlen und ihre Ideen und Meinungen geschätzt werden, ein Ort, an dem alle Kulturen und Religionen und Weltanschauungen respektiert werden. Die zweite große Herausforderung war, uns als relevante Partnerin im Bereich Migration und Frauenrechte in Mecklenburg-Vorpommern zu etablieren. Nicht nur innerhalb der bereits bestehenden MSO Netzwerke, sondern auch im Rahmen der Institutionen der Mehrheitsgesellschaft. Das war nicht einfach und es bleibt bis heute ein Kampf ernstgenommen und auf Augenhöhe betrachtet zu werden.

Was hast du in dieser Zeit beobachtet und wahrgenommen?

Mir ist es wichtig zu betonen, wie großartig es ist zu erleben, wie Migrantinnen und geflüchtete Frauen mit den passenden Ressourcen und Möglichkeiten ihre Zukunft in die Hand nehmen. Sie motivieren und helfen anderen Frauen, sie gründen ihre eigenen Unternehmen und Organisationen, sie erfinden sich neu, sie wollen erleben und entdecken, sie wollen Gemeinschaft schaffen. Das ist ein riesiges Potenzial, das wir oft nicht zu schätzen wissen, da wir uns gerne auf unsere Unterschiede konzentrieren. Die Herausforderungen für Frauen und Familien, die jahrelang in der Duldung bleiben sind enorm und dürfen nicht unterschätzt werden. Ihr Leben wird unterbrochen und es ist sehr schwierig, weiterzumachen. Die Bürokratie rund um Flucht schafft einen neuen und unerwünschten Bürgertyp, dem es nicht erlaubt ist, sich weiterzuentwickeln.

Was hat dir geholfen am Ball zu bleiben?

Wir sind ein kleines Team in Mecklenburg-Vorpommern und werden in den nächsten Monaten aber wachsen. Mecklenburg-Vorpommern ist eine große Region und wir arbeiten oft in ländlichen Gebieten. Die Art der Arbeit, die wir leisten, kann nicht nur rein quantitativ in Zahlen oder wie viele Teilnehmer*innen wir erreichen gemessen werden. Es braucht Zeit, Vertrauen, Geduld, Ausprobieren und, Kommunikation in verschiedenen Sprachen, Respekt und Anerkennung für unterschiedliche Kulturen. Diese Arbeit ist nur mit der Hilfe von zahlreichen Ehrenamtler*innen möglich, von Schlüsselfrauen in den Gemeinden, die Zugänge in die Communities schaffen und sich gleichzeitig für das Projekt und die dahinter stehenden Werte engagieren. Frauen, die wir dabei unterstützen, ihre eigenen Projekte und Ideen zu entwickeln. Bei DaMigra sind fast alle Mitarbeiter*innen Migrant*innen, und in unseren kleinen lokalen Teams ist es besonders wichtig, in unserer Belegschaft Diversität zu leben.

Welche Zusammenarbeiten weißt du besonders zu schätzen?

In unserem Projekt haben wir in den letzten drei Jahren ein breites Spektrum an Themen behandelt: Bildungs- und Gesundheitssystem in Deutschland, Gewalt gegen Frauen, politische Partizipation, Rassismus und Antidiskriminierung, Arbeitsmarkt und Organisationsentwicklung. Wir haben auch gemeinsam gefeiert, was ein wichtiger Teil ist wenn man engagierter Ehrenamtler*innen und Teilnehmer*innen in Gruppenkontexten aufbauen möchte. Besonders gefallen haben mir die Veranstaltungen, bei denen unsere Ehrenamtlichen die Initiative ergriffen und eine Maßnahme nach ihren eigenen Ideen organisiert haben: zum Beispiel ein Frauencafé, einen Kreativworkshop, ein Computerkurs für Anfänger*innen, eine Exkursion zum Landtag, oder eine politische Buchmesse.

Was war eine der größten Hürden, die du persönlich oder beruflich überkommen musstest in dieser Zeit ?

Die meisten von uns bei DaMigra sprechen mehrere, oft drei bis vier Sprachen, aber wir haben trotzdem mit Sprachbarrieren auf Deutsch zu tun. Um von der deutschen Aufnahmegesellschaft auf Augenhöhe betrachtet zu werden, müssen wir die deutsche Sprache beherrschen. Das ist eine große Herausforderung, da deutscher Spracherwerb nur eins von vielen Themen ist, mit denen man sich bei der Ankunft hier auseinandersetzen muss. Gleichzeitig gibt das Erlernen einer neuen Sprache uns allen ein hohes Maß an Belastbarkeit und Bescheidenheit, da es dazu führen kann empathischer für die Herausforderungen anderer Menschen zu sein. Beruflich müssen wir in Deutschland unseren Horizont im Bereich Migration wirklich viel mehr öffnen. Wir brauchen eine breitere Debatte darüber, was wir mit „Integration“ meinen. Sollten wir nicht wie bei anderen Gruppen über Inklusion sprechen? Welchen Begriff wir auch verwenden, wir müssen die bestehenden Machtverhältnisse, beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt, betrachten und wie diese den Sozialisationsprozess von Migrant*innen und ihre Fähigkeit, einen sinnvollen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, beeinflussen. Die Sozialisation vollzieht sich nur in einem fließenden, zweiseitigen Anpassungsprozess mit einer echten Beteiligung der migrantischen Bevölkerung am Entscheidungsprozess.

Als berufstätige Mütter, Feministinnen, Partnerinnen, Freundinnen füllen Frauen viele, oft auch anstrengende, Rollen aus – was hat dir geholfen diese Arbeit weiterzutragen?

Es ist manchmal wirklich viel. Man muss ständig Prioritäten setzen und diese können sich mit den Jahren und unserer Umgebung ändern. Ist es gerade die Familie, der Aktivismus, die Beziehungen untereinander, die Erwartungshaltung von außen? Das Wichtigste ist, sich nicht schuldig zu fühlen und die eigenen Entscheidungen, aber auch Versäumnisse zu akzeptieren.

Was wirst du am Meisten vermissen?

Am meisten werde ich unsere Frauengemeinschaft vermissen. Ich weiß, dass wir in unserem kleinen Büro einen sicheren Raum geschaffen haben, in dem Frauen ihr Potenzial entfalten können. Ich werde den täglichen Austausch mit meinen Kolleg*innen und die vielen politischen Themen, die bei DaMigra diskutiert werden, definitiv vermissen. Ich werde vermissen, wie die meisten von uns immer unsere intersektionale Brille aufsetzen, um die Welt aus einer ganzheitlicheren und faireren Perspektive zu betrachten. Ich werde weiterhin als Ehrenamtlerin für DaMigra tätig sein, also ist dies kein Abschied.

Was möchtest du neuen und alten Kolleginnen unbedingt für Ihre Arbeit mitgeben?

Dieser Job basiert sehr stark auf Beziehungen. Sieh den Wert im Wissen und in der Erfahrung anderer Menschen. Sei kritisch und offen, aber mit Mitgefühl und Respekt. Baue ein positives Umfeld um dich herum auf, mit Menschen, die dich inspirieren, es wird dir die Kraft geben, viele Herausforderungen zu meistern.

Die Frauen, mit denen du über die Jahre gearbeitet hast sind viele und sehr unterschiedlich: was möchtest du ihnen allen trotzdem gerne noch sagen ?

Wir haben viel zusammen gelernt. Wir sehen uns bald.

Berühmte letzte Worte ?

Vielleicht, wenn ich 80 bin!

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